Donnerstag, 14. Dezember 2023
BM Arbeit und Soziales (BMAS)
Menschen, die erwerbsfähig sind, aber ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten können, erhalten Bürgergeld. Zum 1. Januar 2024 steigt die staatliche Leistung deutlich – um zwölf Prozent. Warum das so ist, wie die Regelbedarfe ermittelt werden, und was das mit unserer Verfassung zu tun hat – hier die Hintergründe.
Das Bürgergeld steigt 2024 deutlich: da besonders die Preise bei Lebensmitteln gestiegen sind, hat sich der regelbedarfsrelevante Preisindex stärker erhöht als der allgemeine Verbraucherpreisindex.
Foto: Getty Images/iStockphoto
Das Bürgergeld hat zum 1. Januar 2023 das ALG II, bekannt als „Hartz IV“, abgelöst. Eine große Sozialreform: Die Menschen sollen sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren können. Ziel ist, sie in dauerhafte Jobs zu vermitteln, damit sie ihren Lebensunterhalt wieder selbst bestreiten können. Gleichzeitig wurden die Berechnungen der Regelbedarfe auf eine neue Grundlage gestellt.
Zum 1. Januar steigt das Bürgergeld nun um zwölf Prozent. Alleinstehende Erwachsene erhalten 563 Euro im Monat – 61 Euro mehr als bisher. Wie kommt es zu dieser deutlichen Erhöhung?
Das Existenzminimum – ein Grundrecht
Viele Menschen geraten unverschuldet in Not: Sie verlieren beispielsweise ihre Arbeit oder müssen ihr Geschäft schließen. Eine solidarische Gesellschaft darf diese Menschen nicht im Stich lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip entwickelt. Das ist garantiert – auch für Menschen, deren Einkommen sehr gering ist und die zusätzliche Unterstützung brauchen. Das Existenzminimum für Menschen, die Bürgergeld beziehen, wird nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts jährlich in einem gesetzlich festgelegten Verfahren errechnet.
Was sind Regelbedarfe?
Der Regelbedarf deckt den gesamten Lebensunterhalt, der für die Sicherung des Existenzminimums notwendig ist. Er umfasst vor allem Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Haushaltsenergie. Ebenso zählt das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum dazu. Das sind Leistungen, die für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag von den Jobcentern ausgezahlt. Über seine Verwendung können die Menschen im Bürgergeld eigenverantwortlich entscheiden.
Ausgenommen vom Regelbedarf sind die sogenannten Mehrbedarfe, die für besondere Lebenslagen vorgesehen sind. Das sind zum Beispiel Leistungen für Alleinerziehende oder Schwangere. Auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung gehören nicht zum Regelbedarf.
Wie wird die Höhe der Regelbedarfe errechnet?
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Am Anfang der Regelbedarfsermittlung steht die sogenannte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Sie wird alle fünf Jahre vom Statistischen Bundesamt durchgeführt und liefert Erkenntnisse darüber, wofür die Menschen in Deutschland wieviel Geld ausgeben. Dafür befragt das Statistische Bundesamt etwa 80.000 Haushalte aller Einkommensklassen zu deren Einkommen, Vermögen und Ausgaben. Sie ist damit die größte Befragung ihrer Art in Europa.
Liegen dem Statistischen Bundesamt die Ergebnisse vor, wird es vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales damit beauftragt, eine „Sonderauswertung“ vorzunehmen. Diese berücksichtigt speziell die Ausgaben der Menschen mit geringem Einkommen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse werden die Ausgaben ermittelt, die für den Regelbedarf erforderlich sind.
Die Anpassung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2024 bezieht sich auf die Ergebnisse der Stichprobe von 2018. Aktuell findet seit 1. Januar 2023 und noch bis 31. Dezember 2023 eine EVS statt. Die Ergebnisse liegen voraussichtlich in 2025 vor. Sobald dies der Fall ist, sind die Regelbedarfe neu zu ermitteln.
Jährliche Fortschreibung der Regelbedarfe
Um gestiegene Lebenshaltungskosten zeitnah zu berücksichtigen, werden die Regelbedarfe bis zur nächsten Neuermittlung durch die EVS jährlich fortgeschrieben. Dies geschieht nach gesetzlichen Vorgaben jedes Jahr zum 1. Januar. Seit der Einführung des Bürgergeldes Anfang 2023 erfolgt die Fortschreibung in zwei Schritten:
Im ersten Schritt wird wie bisher die sogenannte „Basisfortschreibung“ errechnet. Diese erfolgt anhand eines Mischindex. Dieser setzt sich zu 70 Prozent aus der Entwicklung der Preise zusammen, die für den Regelbedarf maßgeblich sind, und zu 30 Prozent aus der durchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und Nettogehälter. Gemessen wird die Entwicklung in zwei Zeitspannen, die dann miteinander verglichen werden. Für die Regelbedarfe zum 1. Januar 2024 waren das die Zeiträume von Juli 2021 bis Juni 2022 und von Juli 2022 bis Juni 2023.
In einem zweiten Schritt wird durch eine neue „ergänzende Fortschreibung“ der aktuellen Preisentwicklung Rechnung getragen. Dabei wurden für das Jahr 2024 die regelbedarfsrelevanten Preise im zweiten Quartal 2023, also im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2023, mit dem entsprechenden Dreimonatszeitraum des Jahres 2022 verglichen.
Beim zweiten Schritt zur Ermittlung der Regelbedarfe handelt es sich um eine „Trendverlängerung“. Dabei wird der aktuelle Trend für den Zeitraum bis zur nächsten Fortschreibung zugrunde gelegt. Damit sollen die Menschen im Bürgergeld besser auf Preissteigerungen im Jahresverlauf reagieren können. Mehr Details zur Berechnung der Regelbedarfe gibt es hier, beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Deutliche Erhöhung des Bürgergeldes für 2024
Im Ergebnis ist die Fortschreibung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2024 vergleichsweise hoch. Grund dafür ist die Entwicklung der Preise bei Gütern und Dienstleistungen, die für die Höhe der Regelbedarfe berücksichtigt werden. Da besonders die Preise bei Lebensmitteln gestiegen sind, hat sich der regelbedarfsrelevante Preisindex stärker erhöht als der allgemeine Verbraucherpreisindex, der deutlich mehr Güter und Dienstleistungen umfasst. Sinken also die Preise für Lebensmittel künftig wieder, fällt voraussichtlich die Anpassung der Regelbedarfe beim Bürgergeld wieder geringer aus.
Übrigens steigen auch die Regelsätze in der Sozialhilfe um zwölf Prozent, ebenso die Beträge für den persönlichen Schulbedarf und die Leistungssätze im Asylbewerberleistungsgesetz.
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